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Von beiden Seiten der Tür |
wer jetzt kein haus hat, stirbt.
In Andreas Altmanns Gedichten tritt die Natur nicht als Gegenwelt in Erscheinung, sondern wird als unmittelbar Erfahrenes ins Erleben geholt. Es findet eine dichterische Anverwandlung statt. Man möchte meinen, dass sich hinter den Phänomenen etwas Unerforschtes verbirgt, das gleichsam der entmystifizierten Landschaft zurückgegeben wird. Rettung stellen Andreas Altmanns Gedichte gleichwohl nicht dar. Der Verfall ist allgegenwärtig. Die Katastrophe ist nicht mehr vor uns, sondern längst um und in uns. Lakonisch heißt es in Anspielung auf die berühmten Verse Rilkes: wer jetzt kein haus hat, stirbt.
Wer, wie Andreas Altmann, mehr als ein halbes Leben lang gedichtet hat, muss sich und der Welt keine Kunstfertigkeit mehr beweisen. Vielleicht resultiert daraus die beindruckende Fähigkeit des unverstellten Sprechens. Dabei trifft mancher Satz den Leser wie ein Schlag. Andere Zeilen scheinen frappierend einfach und doch schwebt ein poetischer Zauber über ihnen.
Zur Natur gehört für Andreas Altmann auch das, was der Mensch aus dem, was sie ihm hinterlässt, geschaffen hat. Häuser mit all ihren Facetten sind häufig Thema seiner Gedichte. Neu ist der Wechsel in die figürliche Dimension, wenn der Autor in seiner Prignitzer Werkstatt aus aufgelesenen Hölzern Fabelhäuser fertigt. Seine Häuser der schlafenden Gedichte, wie er sie selbst manchmal nennt, führen ihr Eigenleben. Sie können mit den lyrischen Texten korrespondieren, müssen es aber nicht. Der Gedichtband wird durch 16 Farbfotos dieser charakteristischen Fabelhäuser ergänzt.
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das kalte haus
das haus ist kalt. scheiben sind in den blüten
der eisblumen gesprungen. frost schleicht in hände,
die weiße wände berühren. sie brennen.
fliegen liegen auf dem fensterbrett. die flügel
sind trocken und manche vom leib getrennt.
ich hör die geräusche, wenn der körper
immer wieder gegen das glas schlägt.
irgendwann hört es auf. und knistert.
das holz im haus arbeitet immer. es bewegt
die lauschenden augen, wenn sie geschlossen sind
und durch den wald gehen. die bäume sind schwarz
und haben das licht gesehen, als es schatten
von ihren stämmen zog. zwischen ihnen ist es dunkel.
und weiß in der nacht. jeder schritt kennt nur
den vorangegangenen. weiß nichts von ihm.
auf dem dach liegen die spuren schneetief.
ich schließe die tür.
von beiden seiten der augen.
Aus:Von beiden Seiten der Tür
Andreas Altmann
Fabelhäuser
16 Farbtafeln im Buch
Fotografiert von Wolfgang Jaros
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